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Digitale Transformation bisher ohne Digitale Expertise.

Aktuelle Studienergebnisse zum Thema Digitalisierung verweisen auf ein enormes Wertschöpfungspotenzial für die deutsche Industrie im nächsten Jahrzehnt, wenn die Vernetzungs- und Geschäftsmöglichkeiten durch den Digitalen Wandel richtig (aus-)genutzt werden. Viele Unternehmen haben dies auch schon seit Jahrzehnten erkannt und sich digital revolutioniert. In der Verlags- und Druckereibranche, deren Kerngeschäft mit als erstes von den Veränderungen durch die digitale Transformation betroffen war, scheint dieses Thema jedoch bisher nur vereinzelt auf ein strategisches Level gehoben worden zu sein: Digitale Experten sind noch immer rarr im Management der klassischen Printmedien-Unternehmen zu finden. Ein Mangel, der diese Medienunternehmen über kurz oder lang den Kopf kosten wird. Höchste Zeit, die Digitale Reife strategisch zu erhöhen. Die im März 2015 veröffentlichte Studie „Die digitale Transformation der Industrie“1 verweist auf ein enormes digitales Potenzial für die europäische Industrie. So wird bei effektiver Nutzung dieses Potenzials ein Bruttowertschöpfungszuwachs von 1,25 Bio. Euro erwartet, für die deutsche Industrie liegt das prognostizierte Wachstumspotenzial bei 425 Mrd. Euro. Was für das Erreichen dieses Wachstums vorausgesetzt wird, ist umfassende Nutzung der digitalen Möglichkeiten für eine vernetzte, effizientere Produktion sowie die Entwicklung entsprechend neuer, digitaler Geschäftsmodelle.

Auch wenn die Studie eher auf die TOP-Industriezweige, wie Automobile, Maschinen- und Anlagenbau, Elektroindustrie und chemische Industrie fokussiert ist, lassen sich die Erkenntnisse dennoch auch auf den eher kleineren Zweig der klassischen Verlags- und Printindustrie übertragen. Für diesen wird die Nutzung des digitalen Potenzials zunehmend überlebenswichtig, je mehr der Wandel hin zur Nutzung digitaler Medien statt den klassischen Print-Formaten wie Zeitung, Zeitschriften und Büchern geht. Ohne passende, digitale Produkt- und Dienstleistungsideen sowie entsprechend digital optimierte Produktionsprozesse wird die Printmedienbranche weiter schrumpfen. Diese Erkenntnis plus möglicher Lösungsideen sind seit Jahren die Headlines vieler Fachartikel, Experteninterviews und Vorträge auf Fachkonferenzen, die das Thema „Zukunft des Drucks“ in den Mittelpunkt stellen. Umso verwunderlicher, dass von den Betroffenen bisher nur vereinzelte Unternehmen den erfolgreichen digitalen Transfer zur Aufgabe ihrer Geschäftsführung gemacht haben.

So zeigt eine aktuelle Analyse von Apenberg & Partner, dass im Vergleich zu den großen deutschen Medienkonzernen wie Bertelsmann, Axel Springer, Funke und Burda, welche seit Jahrzehnten crossmedial aufgestellt sind, gezielt in das digitale Geschäftspotenzial investieren und auch entsprechende Managementposten etabliert haben2, in den Verlagshäusern leitende Positionen als Chief Information Officer (CIO) oder Chief Technical Officer (CTO) u. Ä. noch eher selten zu finden sind. Folglich scheint in diesen Unternehmen die Aneignung der notwendigen digitalen Expertise auch noch nicht häufig auf strategischer Ebene bearbeitet zu werden. Apenberg & Partner untersuchte dabei die laut Statista und buchreport3 20 umsatzstärksten Verlage 2014 hinsichtlich Ihrer Positionsvergaben des CIO, CTO oder sogar CDO (Chief Digital Officer). Nur in knapp einem Drittel dieser Top 20 war eine derartige Management-Position zu finden.

Der Titel „Chief Technical Officer /CTO“ nur in vier der 20 Top-Verlage vergeben, wobei eine dieser Positionen auf Konzernebene des dazugehörigen Mutterkonzerns angesiedelt war. Eine Stellenbesetzung als „Chief Information Officer/CIO“ war in sechs der 20 Verlagshäuser zu finden, drei davon ebenfalls nur auf globaler Konzernebene und nicht direkt im Verlag. Schließlich ergab die Suche nach der Jobbezeichnung „Chief Digital Officer/CDO“ einen Treffer unter den Top 20.

Mit diesen insgesamt sieben leitenden Positionen im Bereich IT, Digitalisierung und Technologie stellen die erfolgreichsten Verlage bzw. Verlagsgruppen bisher nur wenig Vorbildcharakter für ihre kleineren Branchenkollegen dar. Hier ist deutlicher Nachholbedarf zu vermerken. Eine weitreichende Etablierung derartiger strategischer Positionen in den Printunternehmen fördert ihre Handlungsfähigkeit und Wirtschaftskraft in der digitalen Zukunft und unterstützt somit auch die Wertschöpfung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und darüber hinaus Europa. Als zentrales Handlungs- und Entwicklungsfeld für das einzelne Printunternehmen muss daher die Digitale Reifung an oberster Stelle stehen.

Dazu zählt einerseits eine bessere Durchdringung der digitalen Trends und Möglichkeiten, spezifisch im Hinblick auf Produkte und Dienstleistungen der Druck- und Verlagsbranche. Zudem ist ein tieferes Verständnis dafür notwendig, wie sich die Wettbewerbsregeln im digitalen Raum ändern. Und schließlich ist auch ein effektives Ressourcenmanagement von großer Relevanz. D.h. die Druck- und Verlagshäuser müssen fähig sein, jene technischen wie auch menschlichen Ressourcen kontinuierlich auf- und auszubauen, die erforderlich sind, um die vielen neuen Geschäftschancen des digitalen Wandels auch wirklich realisieren zu können.1

Erst, wenn dieser Reifeprozess kontinuierlich verfolgt wird, kann die Nutzung des digitalen Potenzials über eine Verbesserung bestehender Geschäftsmodelle hinaus gehen und tatsächlich neue, bisher ungenutzte Wertschöpfungspotenziale für Druckereien und Verlage hervorbringen.

Quellen:
1: http://bit.ly/1PNbnoZ
2: Siehe: Die TOP CIOs der Medienbranche: http://bit.ly/1GKuInZ
3: Statista.de:  http://bit.ly/1IL142M
3: buchreport.magazin, Printausgabe 4/2015, Jg.46

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